Rezension – Der freie Vogel fliegt – Jidi / Ageng

Ich lese ja nicht allzu oft Graphic Novels. Der freie Vogel fliegt wurde mir auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt und der Inhalt und die Zeichnungen haben mich sofort angesprochen, sodass ich das Buch lesen wollte.


Das Mädchen Lin Xiaolu besucht in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts in der westchinesischen Stadt Chengdu eine Mittelschule mit Schwerpunkt Kunst und Gestaltung. 
Während ihrer Grundschulzeit war sie von ihrem Vater und ihrer Klassenlehrerin zum „Taugenichts“ abgestempelt worden, weil sie astronomisch schlecht in der Schule war und lieber zeichnete als zu lernen.

Dem Augenschein nach wirkt sie etwas autistisch veranlagt, hinter ihrem ausdrucklosen Gesicht mit nicht zu deutender Miene verbergen sich jedoch eine reiche innere Gedankenwelt und eine Seele voller Imagination und Einbildungskraft.

Chinesische Literatur habe ich bisher noch keine gelesen soweit ich weiß. Deshalb war ich sehr gespannt auf den Comic. Ich finde es immer sehr interessant, Literatur aus anderen Ländern zu lesen, denn oftmals bemerkt man doch kulturelle Unterschiede. Was ich echt toll an diesem Graphic Novel finde ist, dass dieser zweisprachig ist. Nach der übersetzten Geschichte folgt der Originalcomic in chinesisch. Für Menschen, die chinesisch lernen wollen, ist das sicher eine tolle Übung.

Die Geschichte handelt vom Aufwachsen und dem Erwachsen werden in China in den 90er Jahren. Ein Thema, das dabei aufgegriffen wird, ist vor allem der Leistungsdruck, den die Kinder erfahren. Von den Lehrern, ebenso wie von den eigenen Eltern. Wer schlecht in der Schule ist, ist ein Versager und wird dementsprechend auch behandelt. Im Nachhinein spricht die Autorin auch nochmals darüber, wieso sie dieses Thema gewählt hat, was mir sehr nahe ging.

Lin Xiaolu hat eine schwere Kindheit, da sich ihre Eltern scheiden ließen, was in der chinesischen Gesellschaft zur Diskriminierung und auch zu Mobbing durch die anderen Kinder führt. Außerdem ist sie nur eine mittelmäßige bis schlechte Schülerin und wird aus diesem Grund ausgegrenzt und gedemütigt. In Rückblicken erfährt der Leser von ihren Erfahrungen. Oft tat mir Lin Xiaolu wirklich Leid, doch sie wirkt auf mich wie ein starkes Mädchen, das weiß, wie sie den Druck und die Häme nicht an sich ran lässt.

Das Mädchen flüchtet sich wegen der Ausgrenzung in die Welt der Bücher und Serien. Dort wird sie akzeptiert und fühlt sich wohl. Sie selbst zeichnet sehr gerne, was auch zu Missgunst führt. Ich kannte nicht alle Figuren, die man im Buch findet, doch einige, wie Spongebob, waren auch mir bekannt. Besonders diese Traumsequenzen haben mich beeindruckt. Lin Xiaolu ist ein sehr phantasievolles Mädchen, das noch Träume hat, doch sie wird im Ausleben dieser unterdrückt. Genau diese Sequenzen haben mir auch von den Illustrationen am besten gefallen. Sie sind fantastisch.

Der erste Band der Reihe handelt somit besonders vom Schulsystem Chinas. Ich wusste, dass dieses sehr streng ist, doch trotzdem ging es mir sehr nahe darüber, wenn auch in Comicform, zu lesen. Diese ernsten Themen wurden beeindruckend und tiefgründig umgesetzt. Man spürt, wie sich die Protagonistin fühlt. Durch Wortwahl und Bild kann man das Geschehen sehr gut nachvollziehen.

Daneben wird auch noch die erste Liebe verarbeitet. Lin Xiaolu hat sich verliebt und versucht nun ihrem Schwarm nahe zu sein. Dies wird oftmals lustig umgesetzt und hat mich auch zum Schmunzeln gebracht. Die Protagonistin erlebt somit das normale Teenagerleben, das vor allem vom Schuldruck und den ersten Gefühlen und geprägt ist.

Der freie Vogel fliegt – Reihe

Neben dem ernsten Thema der gesellschaftlichen Diskriminierung und dem strengen Schulsystem findet man auch schöne und lustige Szenen. Man begleitet die Protagonistin in ihrem Schulalltag und erfährt auch viel über ihre Kindheit. Lin Xiaolu ist ein normaler Teenager und ich konnte mich trotz des Altersunterschieds doch in sie hineinversetzen, da ich vieles das sie durchmacht auch mal erlebt habe. Doch das Buch handelt auch von der Phantasie und wie wichtig sie für Kinder und Jugendlich ist. Sie müssen sich auch selbst entfalten können.

Die Illustrationen haben mir allesamt sehr gut gefallen. Sie sind sehr bunt gehalten und meiner Meinung nach auch sehr detailliert. Manche stechen mehr heraus, andere weniger. Da wurde das Gleichgewicht sehr gut gehalten. Die Bilder bringen die Gefühle der Figuren authentisch herüber, manchmal sind sie realistischer, bei starken Gefühlen mehr „comichaft“ gehalten.

Was ich leider bemängeln muss, ist die oftmals zu klein gedruckte Schrift. Wenn man die deutschen Seiten mit denen der Originalseiten vergleicht, wird klar, wieso die Schrift oftmals so klein ist. Im Chinesischen werden viel weniger Zeichen benötigt, so dass für die Übersetzung in den Sprechblasen weniger Platz vorhanden war. Aber auch die Schriftfarbe wurde oftmals schlecht gewählt, sodass das Lesen manchmal schwer fiel.

Fazit

Der freie Vogel fliegt hat mich sehr beeindruckt. Neben den schönen Illustrationen konnte mich auch die Umsetzung der ernsten Thematik des Graphic Novel überzeugen. Ich freue mich auf die nächsten Bände!

Allgemeine Infos

Titel: Der freie Vogel fliegt
Autor: Jidi
Zeichnungen: Ageng
Verlag: chinabooks
Übersetzerin: Martina Hasse
Seitenanzahl: 140 pro Geschichte

Teil 1 von mindestens 6

Ich danke dem Verlag und Buchcontact für das Rezensionsexemplar!

0 Gedanken zu „Rezension – Der freie Vogel fliegt – Jidi / Ageng

  1. hallo charline!

    die reihe habe ich neulich beim verlag online gesehen und mich sofort verliebt! ich hatte bereits 2 comics aus dem verlag gelesen zur geschichte chinas, die mich leider wenig begeistern konnten. außerdem finde ich es seltsam, dass die chinesische übersetzung direkt hintendran ist. aber auf diese comics habe ich richtig lust, besonders nach deiner schönen besprechung. vielleicht muss ich mir band 1 im märz wirklich mal gönnen… 🙂

    liebe grüße
    tina

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